Arbeit geh(t) weg, ich komme - oder das Mysterium der Arbeitsuche |
Dienstag, 11. November 2014
Arbeit geh(t) weg, ich komme - oder das Mysterium der Arbeitsuche
shani, 13:23h
:
So, nun ist es also soweit. Meine Frau sagt, wir sollten jetzt der Welt da draußen mitteilen was man als Arbeitsuchender so alles erlebt. Vielleicht ist es aber auch nur eine Art Ventil, um sich von Kummer und Frust zu befreien, sich einfach mal die Seele frei zu schreiben im ständigen Wechsel zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ich bin Anfang 50, zugegebenermaßen nicht mehr so ganz taufrisch, aber doch durchaus noch ein nützliches Mitglied der Gesellschaft und man verlangt ja schließlich auch, dass ich das noch ein paar Jahre bleibe…. 2009 Ich arbeite in einem mittelständischen Unternehmen, bin ein Arbeitnehmer, wie all meine Kollegen auch. Kein Querulant, habe mich weitergebildet bis hin zum Industriemeister, auch innerbetrieblich habe ich jede Herausforderung angenommen und gut gemeistert. Dann das unvermeidliche Schlittern in die Katastrophe - Firma insolvent und nach einer langen Odyssee bin auch ich einer der Letzten, die die Tür hinter sich schließen muss, zwei Wochen nach meinem 25 jährigen Firmenjubiläum. Das tut schon arg weh, aber ok ich bin ja kein alter Mann und irgendwie muss es ja weiter gehen. Schließlich gibt’s ja das Arbeitsamt, die werden’s schon richten - dachte ich! inzwischen 2010 Das Amt hat nichts gerichtet…. Die Aussage, die ich bekomme, so wie übrigens auch eine Vielzahl meiner ehemaligen Kollegen, ist ‘bewerben Sie sich und zeigen Sie Eigeninitiative, mehr können wir hier nicht für Sie tun’. Punkt. Halloooooo….arbeitslos melden, damit Kohle fließt und das war’s für die?! Ja, genau so läuft das und nicht anders! Ich muss also umdenken. Nun muss man wissen, dass wir hier quasi auf’m Dorfe wohnen, mit Industrie ist da schonmal nicht so wirklich üppig. Was macht also der brave Arbeitslose, klappert alles Umliegende ab und sammelt artig seine Absagen, wenn es denn eine gibt. Langsam kommt Frust auf, so habe ich mir das nicht vorgestellt…habe ich mir überhaupt irgendwas vorgestellt? Oder bin ich in all den Jahren so abgestumpft, brauchte mir ja um sowas nie Gedanken machen, war ja weit weg. Jetzt heißt es aufwachen, auch die Familie rüttelt an mir, ständig nur dies eine Thema….es kotzt mich an. Aber was soll’s, ich muss. Ich kitzele meiner Fallmanagerin, im Folgenden Bewährungshelferin genannt, eine Fortbildung raus. Hab mich im Vorfeld selbst darum gekümmert und denke, dass es meine Chancen auf dem Markt erhöhen wird. So mache ich nun denn ein halbes Jahr lang einen Lehrgang. Es macht Spaß, lenkt ab und motiviert. Ende 2010 Ich habe meinen Lehrgang erfolgreich beendet, sitze hochmotiviert zu Hause und bewerbe mich weiter…. aber nichts passiert. Die Schlinge wird langsam ganz schön eng, das Arbeitslosenjahr neigt sich dem Ende und dann Hartz4….nein, ich will das nicht, nie und nimmer. Auf’s Amt, mich ausziehen bis auf’s letzte Hemd, das bring ich nicht. Ich spreche mit meiner Frau, wir werden erst an unsere Reserven gehen, die nehmen sie uns ja sonst sowieso weg. Frühjahr 2011 Es tut sich einfach nichts, ich bekomme hier kein Bein an die Erde. Wieder spreche ich mit meiner Frau, oder besser sie mit mir, es muss eine neue Strategie her. Arbeiten über Leiharbeitsfirmen bzw. Personalvermittler wird nun ein Thema. Diese Halsabschneider, Verbrecher und Sklaventreiber. Aber was soll ich machen, ich muss was tun. Unter diesem völlig neuen Aspekt und mit dem Fokus darauf, sich nun auch hier anzupreisen, gibt es plötzlich mehrere Angebote. Ich bekomme ein einigermaßen lukratives, allerdings für Österreich. Die Konditionen stimmen, sind viel besser, als hier vor Ort und es ist ein großer Arbeitgeber….ich spiele mit dem Gedanken der möglichen späteren Übernahme, was ja nicht ausgeschlossen ist, wenn man noch an Wunder glaubt. Wir fahren also hin, Frau nickt es ab und ich sage zu. Mit einigen wenigen Habseeligkeiten im Gepäck mache ich mich wenig später erneut hoffnungsvoll auf den Weg, um meine Arbeit anzutreten. Ich bin von der Leiharbeitsfirma aus in einer spartanischen Wohnung untergebracht, gleich nebenan der Kuhstall, aber egal ich will ja arbeiten. Meine Frau hat darauf bestanden, dass ich meinen PC mitnehme, ganz wichtig hat sie gesagt, und sie wusste warum. Lange Rede, kurzer Sinn, alles ist Schall und Rauch, nichts so, wie versprochen und das geht jetzt an die Substanz. Hunderte Kilometer von zu Hause weg, alles stellt sich als übelste Scheisse heraus und du hängst da. Meine Frau sieht mich am zweiten Tag über Skype, mich und meine Unterkunft im Hintergrund und sagt mir ‘entweder schmeißt du morgen die Brocken hin und kommst von selber nach Hause oder ich hole dich aus dem Sterbezimmer da raus’. Ok, das ist eine klare Ansage, aber irgendwie hat sie ja recht. Ich fühle mich mies, sehe schlecht aus, es geht mir kurzum nicht gut hier. Arbeiten ja, aber nicht um jeden Preis….noch nicht. Also fahre ich am nächsten Tag wieder heim, Schluß, Ende aus mit Österreich. Wieder zu Hause und vom Erlebten erholt plänkelt bewerbungstechnisch weiter alles so vor sich hin. Ich unternehme noch einen Versuch bezgl. Arbeit im Ausland. Ich stelle mich bei einem Personalvermittler vor, der mich grenznah in Holland unterbringen will, aber auch das zerschlägt sich. Sommer 2011 Es geht nicht mehr, wir sind restlos blank. Der Weg zum Sozialamt ist nun unvermeidlich. Also los. Es ist gar nicht soooo schlimm, wie ich dachte, aber irgendwie schon schlimm. Es ist Routine für die Mitarbeiter dort und ich bin nur einer von vielen, gehe unter in der Menge. Alles geht recht zügig und es kommt Geld ins Haus. SOZIALHILFE - HILFE! Nein, ALGII ist es ja jetzt, aber das macht es auch nicht besser. Meine Frau hat einen kleinen Minijob und verdient ein paar Taler dazu. Als ich ihr sage, dass sie auch eine Einladung vom Jobcenter bekommen wird, der ja nun für uns zuständig ist, fällt sie aus allen Wolken. ‘Wieso, ich hab doch Arbeit und du bekommst Hartz4’ sagt sie……nee, Schätzelein, das ist Familien Hartz4, ich kläre sie auf, sie heult. Die Einladungen lassen auch nicht lange auf sich warten und wir bekommen gnädigerweise einen gemeinsamen Termin, den wir hier bei uns im Ort wahrnehmen können. Bei mir geht es seinen Weg, es wird gesagt, was gesagt werden muss, bürokratisch korrekt und fertig. Dann ist meine Frau dran. Der Typ sagt ihr, dass ihre Arbeit in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis null und nichtig ist und man bestrebt sei, sie nun in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Sie guckt und ich habe Angst, dass ihr gleich die Augen aus dem Kopf fallen. Der nette junge Mann sagt ihr weiterhin, sie müsse umgehend zu einer Maßnahme, einer speziellen da ü50, ein Bewerbungstraining soll es sein. Nun macht meine Frau das erste Mal den Mund auf seit wir hier sind und ihre Augen werden schlitzförmig. Sie merkt an, dass sie gelernte Bürokauffrau ist und durchaus nicht unerheblich bei der Gestaltung meiner Bewerbungsmappe mitgewirkt hat. Als Reaktion des Gegenübers kam, ‘alternativ können wir Ihnen noch was beim Bauhof anbieten, aber vielleicht sind sie mit dem Bewerbungstraining doch besser bedient’. - Baff Mit den neuen Erkenntnissen raus aus der Amtsstube und erstmal runterfahren. Meine Frau hat es übrigens geschafft, nicht an einer Maßnahme teilnehmen zu müssen, wofür sie ihren Job verloren hätte, man muss die Leute nur mit ihren eigenen Waffen schlagen. Herbst 2011 Endlich wieder ein Lichtblick. Zwar über eine Leiharbeitsfirma und auch mit Hilfe von Beziehungen habe ich einen Job im Nachbarort. Ich muss mich orientieren und zurecht finden, aber das ist nicht so einfach, alles völliges Neuland. Keine Zeit, um Arbeitsabläufe kennenzulernen, ich werde an meinen neuen Arbeitsplatz gestellt….nun mach mal. Ich komme noch nicht so gut klar und werde gemobbt, ‘Leiher, mach mal hin’…..wie soll ich das schaffen?! Ich habe noch eine Bewerbung ausstehen und werde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich überlege, was zu tun ist, entscheide mich aber dennoch hinzufahren….ich komme in die engere Wahl. Zwickmühle, was soll ich tun. Leiherjob kündigen? Egal, no risk no fun, ich habe ein gutes Bauchgefühl und mache es. Wie sich herausstellt auch richtig! Ich bekomme den neuen Job und der bestehende wird mir quasi parallel gekündigt, sie können mit mir nichts anfangen…..so spielt das Leben! Oktober 2013 Ich habe mich sehr gut in meinem neuen Job eingelebt. Super Kollegen, Arbeit macht Spaß und alles läuft rund. Seit einiger Zeit plagen mich heftige Kopfschmerzen, dann der Vorfall in der Firma, ich kippe um und man bringt mich vorsichtshalber zum checkup in die Klinik. Alles gut sagen die da und schicken mich wieder nach Hause, allerdings mit dem Hinweis, ich solle mich doch bei Gelegenheit mal bei einem HNO Arzt vorstellen. Das mache ich auch umgehend und bekomme eine niederschmetternde Aussage….ich muss operiert werden. Nichts lebensbedrohliches, aber es hängt mittelbar mit den starken Kopfschmerzen zusammen. Was bleibt mir übrig, ich muss das über mich ergehen lassen. Kein leichter Eingriff haben sie gesagt, aber es wird alles in einer OP erledigt. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Es gab Komplikationen und ich erfahre, dass ich ein weiteres Mal operiert werden muss, später. Wieder mache ich mir Sorgen wegen der Arbeit. Ende Oktober wird sich entscheiden, ob meine Firma mich in Festeinstellung übernimmt, die Verlängerungen sind bereits ausgeschöpft. Mist, warum gerade jetzt krank! Nach einigen Tagen darf ich die Klinik verlassen und gehe mit einem schlechten Gewissen, denn die haben mir gesagt, die Abheilungsphase wird lange dauern…. d.h. weiter krank geschrieben. Die Übernahme steht an und dann ist da ja noch die Tatsache, dass ich nochmal zur OP los muss….hoffentlich geht das gut. Meine Frau holt mich ab und bringt eine Überraschung mit. Wir wollen gar nicht nach Hause fahren, sondern direkt ganz spontan zu unserer Tochter, die 250 Kilometer entfernt wohnt….traue ich mir zur, freu mich! Unterwegs dann das Gespräch, im Auto, die Beichte. Zwei Tage nach meiner OP findet meine Frau einen Brief im Postkasten, von meiner Firma. Sie öffnet ihn und liest die erschütternde Nachricht, dass man mich leider nicht übernehmen könne. Ich bin fassungslos, die wissen doch, dass ich in der Klinik bin, lassen im Telefonat mit meiner Frau noch Genesungswünsche ausrichten, wie abgefahren ist das eigentlich. Bloß gut, dass mir meine Frau diese Post nicht mitgebracht hat, ich kann sie verstehen und bin ihr nicht böse. 2014 Das alte Jahr ist vergangen und ich habe mich soweit erholt, dass ich nun meine zweite und hoffentlich letzte OP angehen kann. Nachdem ich nun dies alles hinter mich gebracht habe und gesundheitlich soweit wieder auf der Höhe bin, die seelischen Wunden lassen wir mal aussen vor, begebe ich mich nun erneut auf Arbeitsuche….ich weiss ja jetzt schon, wie’s geht! Und wieder die selben deprimierenden Aussagen, es passiert einfach nichts. Aber was wäre das Leben, wenn es nicht manchmal unerwartete Wendungen nehmen würde…. Sommer 2014 Meine Bewährungshelferin schickt mich zu einer Maßnahme….ich bin gespannt. Es soll ein Bewerbungscoaching sein und darüber hinaus soll jeder Teilnehmer für zwei Monate in einem Praktikum untergebracht werden. Die Bewerbungsmappe wird also gepimpt, neue Strukturen erarbeitet, aber wo soll ich mein Praktikum machen? Dann nimmt alles die besagte Wende, als mich ein Dozent beiseite nimmt und mich fragt, ob ich mir für meinen weiteren Werdegang nicht vielleicht vorstellen könnte, etwas komplett anderes zu machen. Hä, was anderes, wie jetzt?? Ich kann, was ich gelernt hab, was sonst?! Wir führen Gespräche und ich muss erneut umdenken. Meinen Horizont erweitern, mich Neuem öffnen, wahrscheinlich bin ich tatsächlich zu eingefahren und phlegmatisch. Dennoch hört es sich interessant an und passt auch ansatzweise zu Teilen meiner Ausbildung. Mein Umfeld und meine Familie kann sich diese neue Herausforderung durchaus für mich vorstellen… alle sagen ‘mach das’. Also bewerbe ich mich um einen Praktikumsplatz im Anleiterbereich in einer Behindertenwerkstätte. Weg von der Industrie hinein in ein ganz anderes Metier und soziales Gefüge. Ich gehe die Sache zwar mit gemischten Gefühlen, jedoch ohne jegliche Vorbehalte oder gar Berührungs- ängste an. Und dann geschieht etwas, das ich mir hätte nie träumen lassen. Bereits nach der ersten Praktikumswoche entsteht in mir der Wunsch, eine solche Arbeit auch in Zukunft machen zu wollen. Er festigt sich mit jedem neuen Tag, ich sehe mich angekommen. Aber wie soll das jetzt gehen? Ich mache mich schlau, recherchiere und finde Wege und Möglichkeiten, die mir Hoffnung machen. Allerdings brauche ich hierzu die Unterstützung des Arbeitsamtes, denn es bedarf einer speziellen Fortbildung, die unerlässlich ist. Bei einem Termin mit meiner inzwischen neuen und etwas kompetenteren Bewährungshelferin spreche ich mein Vorhaben an und siehe da, ich finde Gehör und Verständnis……..es geschehen doch Wunder! Also verfolgen wir jetzt gemeinsam diesem Plan und ich finde durch Eigeninitiative, ohne die man zu nichts kommt, einen Träger, bei dem ich im Dezember mit der Fortbildung beginnen könnte. Voller Erwartung und Hoffnung präsentiere ich meine Ergebnisse und bete, dass es abgesegnet wird. Irgendwie denke ich, die haben doch gar keine andere Wahl….schubsen mich in diese Richtung, also können sie mich jetzt ja nicht wieder ausbremsen. Und tatsächlich, ich bekomme eine telefonische Zusicherung der Kostenübernahme. Nun steht noch ein persönliches Gespräch an und die Anmeldung zum Kurs. Ich bin voller Erwartungen….. ... comment |
Online seit 3668 Tagen
Letzte Aktualisierung: 2014.11.11, 13:26 status
Menu
Suche
Kalender
Letzte Aktualisierungen
Arbeit geh(t) weg, ich...
: So, nun ist es also soweit. Meine Frau sagt,... by shani (2014.11.11, 13:26) |